Mein erster Deutscher Städtetag

In der letzten Woche war ich aus dem Lüneburger Rat als Kommunalpolitikerin für den 43. Deutschen Städtetag in Hannover delegiert. Es war mein erster Deutscher Städtetag und ich dachte erstmal: Cool, da kommen Kommunalpolitiker*innen aus ganz Deutschland nach Hannover gereist, ich kann Genoss*innen treffen, mich vernetzen, zu kommunalpolitischen Themen diskutieren und auch noch an einer geselligen Abendveranstaltung teilnehmen. Klingt gar nicht so schlecht. So war es auch halbwegs. Ein paar Kritikpunkte habe ich dennoch.

Was mir sofort auffiel: Es gab kaum Linke Genoss*innen auf dem Städtetag. Am ersten Tag fand ich bis zum späten Nachmittag genau zwei. Später verbesserte sich die Situation, weil ein paar mehr Genoss*innen zur Diskussionsrunde und zum politische Abend zusammenkamen. Der Abend war ein guter Ausklang in gemütlicher Runde gemeinsam mit unserem Bundesgeschäftsführer Janis Ehling und Bündnispartner*innen.

Liebe Genoss*innen, lasst euch zum Deutschen Städtetag delegieren. Wenn wir dort mitbestimmen und kommunale Themen anders besetzen wollen, müssen wir mehr sein!

Am zweiten Tag waren dann nicht nur die Delegierten, sondern auch weitere Gäste angereist. Ich entdeckte ein paar Unternehmer. Auch an den Info-Ständen wurden hauptsächlich Unternehmen präsentiert. Gewerkschaften, Initiativen und zivile Interessensvertretungen aus der Region fand ich keine. Wir Politiker*innen und Privilegierte blieben unter uns. Zum Glück kam Ranga Yogeshwar vorbei und sorgte für Abwechslung. Die Vorstellung der Gastgeberstadt wurde mit viel Musik, Pferden und Action untermalt. Auch am zweiten Abend in Hannovers Neuem Rathaus fehlte es den Delegierten und Gästen an nichts. Essen, Getränke, Musik, alles im Übermaß vorhanden, alles recht privilegiert. Ich blieb eine Weile, traf Genoss*innen aus Aachen, Bernau, Dresden, Hamburg, Hanau, Magdeburg, Rostock. Ein paar von uns bestiegen den Rathausturm, ein kleines Abenteuer.

Was sehr auffällig am Deutschen Städtetag war: Diversität gab es kaum. Es nahmen nur wenige Frauen teil. FLINTA* schien ein absolutes Fremdwort. Menschen mit Einwanderungsgeschichte waren – bis auf den Gastgeber und Oberbürgermeister der Stadt Hannover, Belit Onay – beinahe unsichtbar. Ich habe einen einzigen Schwarzen Menschen unter tausenden Teilnehmenden entdeckt, die weiteren POC gehörten zum Personal der Catering-Agentur oder moderierten die Abendbühne. Es ist schwierig genug, Diversität in der Zusammensetzung der Kommunalparlamente vorzufinden. Beim Deutschen Städtetag, zu dem man aus den Kommunalparlamenten heraus zusätzlich noch delegiert wird, tauchten fast nur grauhaarige weiße Anzugträger auf. Folglich bekleiden diese auch die wichtigen Ämter des Städtetages. Nämlich im Präsidium.

Das Präsidium wird wie folgt zusammengesetzt: Die noch amtierende Präsidiumsspitze schlägt dem Hauptausschuss, der aus wenigen (Ober-)Bürgermeisterinnen - unter ihnen auch unsere wundervolle Rostocker Linke Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger - und sehr vielen (Ober-)Bürgermeistern besteht, ein paar wenige ausgewählte Hauptausschuss-Mitglieder für das kommende, neue Präsidium vor. Diese werden in einem sehr zügigen Abstimmungsverfahren vom Hauptausschuss bestätigt und am nächsten Tag per Stimmkarte vom gesamten Städtetag gewählt. Zum Glück ging während der Gesamt- und Hauptversammlung eine Person ans Mikro und fragte die zur Wahl Stehenden nach deren Einstellung zur Vermögenssteuer. So konnte ich mit meiner Stimmkarte diejenigen Kandiat*innen ins Präsidium wählen, die sich für die Vermögenssteuer aussprachen. Dazu zählt mit Andre Stahl aus Bernau bei Berlin auch ein Linker Genosse, der uns nun im Präsidium vertritt.

Das für die kommenden zwei Jahre bestimmte Präsidium besteht aus zwei Frauen und sechs Männern. Zusätzlich gibt es einen Hauptgeschäftsführer. Das Amt des Hauptgeschäftsführers wurde bisher ausschließlich von Männern bekleidet. An der Spitze des neuen Städtetages stehen ein Stellvertreter des Städtetagspräsidenten, eine Vizepräsidentin, ein Vizepräsident und der Präsident. Abwechselnd wird der Präsident seit 1945 von SPD oder CDU gestellt. Seit 2018 wechseln sich Markus Lewe und Burkhard Jung als Präsidenten ab in der Folge: Lewe, Jung, Lewe, Lewe und jetzt wieder Jung.

Nicht unberechtigt war daher die Frage eines jüngeren Teilnehmers, warum nicht die Vizepräsidentin Katja Dörner, Grünen-Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, zur Präsidentin bestimmt würde. Dem Herrn Jung fiel bei der Frage ein wenig die Fassung aus dem Gesicht. Katja Dörner antwortete gekonnt diplomatisch. Ich vermute, die Herren von SPD und CDU halten nicht viel von einer Grüne-Frau an der Spitze des Präsidiums. Im Anschluss an die Wahl wurde dann noch der vorige Präsident zum Ehrenpräsidenten ernannt und somit ist Markus Lewe auch in der nächsten Runde bei den Sitzungen des Präsidiums wieder mit dabei.

Von der Bundesebene hatte sich diesmal niemand zu der Veranstaltung der Kommunen bequemt. Der frisch gewählte Bundeskanzler war verhindert. Der Bundespräsident war verreist, schickte aber eine Videoansprache, die auf einem überdimensionierten Monitor frontal ausgestrahlt wurde. Das fühlte sich ziemlich surreal und etwas dystopisch-futuristisch an. Aus der Landesregierung gab es einige Teilnehmer*innen. Ministerpräsident Stefan Weil war am dritten Tag dabei und in einem Forum zu Gewalt gegen Kommunalpolitiker*innen traf man auf die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens.

Der Deutsche Städtetag: Die Stimme der Städte. Das diesjährige Motto: „Zusammen sind wir Stadt“. Ein schönes Motto. Es klingt vielversprechend. Es sprechen jedoch hauptsächlich weiße Männer auf den Podien. Frauen dürfen moderieren. Es entscheiden auch hauptsächlich weiße Männer mit ihren Stimmkärtchen. Dabei sind unsere Städte so vielfältig. Schade, dass diese Vielfältigkeit in der Teilnehmenden-Struktur des Deutschen Städtetags im Jahr 2025 nicht besser abgebildet werden konnte.