Rassismus im Landtag konsequent bekämpfen!

DIE LINKEMenschenrechte

„In einer rassistischen Gesellschaft reicht es nicht aus, nicht rassistisch zu sein. Wir müssen anti-rassistisch sein." - Angela Davis.

Der 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Im Netz finden sich heute auf vielen Seiten Bekundungen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Gleichzeitig etabliert sich in unserem System eine Partei der Ausgrenzung, die rassistische Stereotype bekräftigt und verbreitet, wann immer sich ihr die Möglichkeit bietet. Dies bleibt nicht ohne Wirkung: Vor allem in den sozialen Medien nehmen Äußerungen zu, die bis vor einiger Zeit noch undenkbar waren. Hass, Hetze, Menschenfeindlichkeit: Es ist wieder en vogue, extrem rechte Positionen zu vertreten.

Auch in unseren Parlamenten ist mensch vor menschenverachtenden Inhalten und dazugehöriger Rhetorik nicht sicher. Es wird von einer zunehmenden Verrohung der Debatten gesprochen. Passend zum Start der Internationalen Wochen gegen Rassismus befeuert die AfD im niedersächsischen Landtag rassistische Stereotype und beschwört den Mythos der sogenannten „Clankriminalität“ herauf. Systematisch erfasst und statistisch nachgewiesen ist dieser Phänomenbereich, der von schwerwiegender Tragweite für unsere Gesellschaft und ihre Rechts- und Werteordnung sein soll, bisher nicht. Von Landeskriminalämtern und Bundeskriminalamt dazu veröffentlichte Berichte scheitern bereits an unwissenschaftlichen Definitionsversuchen und nicht zuletzt an verzerrten Lagebildern, die über Vergehen der organisierten Kriminalität hinaus "jegliche polizeilich erfasste Deliquenz bestimmter, ethnisch definierter Bevölkerungsgruppen"der "Clankriminalität zuordnen, was zum Beispiel auch Verkehrsdelikte beinhaltet. Selbst die Täterstruktur der aufgenommenen und der organisierten Kriminalität zugeordneten Straftaten setzt sich hinsichtlich der Nationalitäten der Involvierten zum größten Teil heterogen zusammen. 

Der Begriff „Clankriminalität“ ist somit ein aufgeblähter, konstruierter Begriff, der als kriminalistische Analysekategorie konsequent abzulehnen istund zu nicht viel mehr dient als der Legitimierung rassistischer Kontrollpraktiken wie racial profiling oder Großrazzien, d.h. Gewerbekontrollen und Durchsuchungen unter unverhältnismäßig großem Polizeiaufgebot in Shisha-Bars, Cafés, Barber-Shops, Gemüse- und Dönerläden.

Bei solchen Razzien wird im Verbund von Polizei, Zoll, Gesundheitsamt und Finanzbehörden im Namen der „Gefahrenabwehr“ gehandelt und eine sogenannte „Strategie der 1000 Nadelstiche“ beschworen, die ein stichprobenartiges Vorgehen vorgibt. Merkwürdigerweise zielen diese Stiche allein auf Menschen mit Flucht- oder Einwanderungsgeschichte, ohne dass zuvor ein Verdachtsmoment oder ausreichend Hinweise gegen die Betroffenen vorliegen müssten. Es reicht aus, einen bestimmten Nachnamen zu tragen, um einem "dreisten" kriminellen Netzwerk zugeordnet zu werden, welches sich zum Ziel gemacht haben soll, das gute deutsche System unverhohlen auszunehmen und seine Werteordnung zu missachten.

Als Beispiel der Existenz der sogenannten "Clankriminalität" führt die niedersächsische AfD in ihrem Antrag für die Landtagssitzung am 23.03.2023 den „Diebstahl einer riesigen Goldmünze aus einem Berliner Museum" und einen „Raubüberfall im Kaufhaus KaDeWe, bei dem Schmuck im Wert von mehr als 800.000 Euro erbeutet worden war“ an. Weshalb diese Delikte stichprobenartige Razzien in Gastronomien, Gemüseläden und Barbershops in Niedersachsen rechtfertigen sollen, während die Kaufhauserpressungen durch Arno Funke, alias Dagobert, jedoch nicht dieser Logik folgten und zu stichprobenartige Razzien in Niedersachsens Comic-Shops und Tante-Emma-Läden führten, ist mir schleierhaft.  

Durch die diskriminierende und stigmatisierende Form der Ethnisierung von Kriminalität schüren und verfestigen die involvierten Behörden systematisch Vorurteile, bis sie von der Gesellschaft als existent akzeptiert und in sich wiederholenden Narrativen immer weitergetragen werden.

Festgestellt werden bei solchen Razzien meistens nur Lappalien und Bagatelldelikte. Was jedoch am Ende bleibt, ist der geschädigte Ruf und vergraulte Gäste und Kund*innen. Auch Passant*innen und Nachbar*innen, die beobachten dürfen, wie maskierte Polizisti*innen aggressiv und in voller Montur einen Laden stürmen, werden diesen in Zukunft vielleicht lieber meiden ungeachtet der Nicht-Resultate solcher Abschreckungs-Aktionen.

Die involvierten Behörden verteidigen diese Praktik mit ihrem vermeintlichen „Erfahrungswissen“. Dabei müssten die dahinterliegenden strukturellen rassistischen Muster der Strafverfolgungsbehörden hinterfragt werden.

Hinzu kommt eine politische Praxis, die Menschen mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte in vielen gesellschaftlichen Bereichen systematisch ausgrenzt und auf Dauerduldungen setzt, statt auf Teilhabe und auf Zugang zu Bildung, Arbeit und Infrastruktur.

Nicht zuletzt trägt reißerische mediale Berichterstattung ihren Teil dazu bei, dass sich der Mythos der „Clankriminalität“ in den Köpfen der Menschen verfestigt und so verstärkt die dazugehörigen rassistischen Praktiken und Muster gesellschaftlich legitimiert.

Den heutigen Internationalen Tag gegen Rassismus möchte ich zum Anlass nehmen, daran zu erinnern, dass wir der rassistischen Stimmungsmache in unserem Land aktiv entgegentreten und ihr widersprechen müssen! Geflohene und nach Niedersachsen eingewanderte Menschen sind hier willkommen!

Es ist allerhöchste Zeit, den vielen rassifizierten Stimmen aus der Zivilgesellschaft Gehör zu verschaffen, antirassistische Maßnahmen auf den Weg zu bringen und Rassismus und seine strukturellen Diskriminierungsformen langfristig und konsequent zu bekämpfen! 

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1 Sauer L. & Winkler M. (2022) Sippenhaftung, Version 2.0, nd-aktuell, 02.12.2022. Online. [Zuletzt abgerufen am 21.03.2023 unter »Clankriminalität«: Sippenhaftung, Version 2.0 | nd-aktuell.de

Siehe auch: Jennissen T. & Zech L. (2022) Mythos „Clancriminalität“: Die Ethnisierung von Kriminalität, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Online. [Zuletzt abgerufen am 21.03.2023 unter MYTHOS „CLANKRIMINALITÄT“: DIE ETHNISIERUNG VON KRIMINALITÄT