Rede zur Kandidatur auf der Landesliste

Marianne EsdersDIE LINKEReden

Liebe Genoss:innen,

das Land Niedersachsen feiert sich in Hannover heute zum 75. Mal.

Auf dem Tag der Niedersachsen hat der Landtag eine eigene Bühne. Zurzeit ist DIE LINKE in diesem Landtag nicht vertreten. Dabei wird DIE LINKE als kritische Stimme in der Landespolitik mehr als dringend gebraucht!

Das Land Niedersachsen feiert sich also selbst, aber wofür feiert es sich?

Trotz des uns überall umgebenden Internets lese ich manchmal noch Zeitung. Als ich das letzte Mal eine Zeitung aufschlug, stand dort etwas von Inflation, explodierenden Nahrungsmittel- und Energiepreisen, von immer mehr Menschen, die die Tafeln in Anspruch nehmen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen. Das ist sicher kein Grund zum Feiern!

Ich las, dass Mineralölkonzerne die Senkung der Kraftstoffsteuer nur zu fünfzig Prozent an die Verbraucher:innen weitergeben und die Situation eiskalt ausnutzen, um Gewinne einzufahren. Von einer niedersächsischen Landesregierung, die wie die Länder Bremen, Berlin und Thüringen eine Initiative für eine Übergewinnsteuer im Bundesrat einbringt, las ich in der Zeitung bisher leider nichts.

Ich las, dass in Niedersachsen bis zu 40 Kliniken geschlossen werden sollen, und das, obwohl eine flächendeckende Gesundheitsversorgung bei weitem nicht gewährleistet ist und das noch vorhandene Klinikpersonal bereits jetzt an seine äußersten Belastungsgrenzen kommt. Zum Beispiel hat sich die Zahl der Krankenhäuser mit Entbindungsstation in Niedersachsen von 1991 bis 2017 um ca. 43 Prozent reduziert. Auch die Landärzt:innenquote reicht bei weitem nicht. Und der Zugang zu medizinischer Versorgung ist für geflüchtete Menschen auch weiterhin nicht umfassend gewährleistet. Wie in Berlin und in NRW organisiert sich auch das Klinikpersonal in Niedersachsen und plant gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di Streikwochen zur Landtagswahl. Und selbst die Kliniken fordern eine Nachbesserung des Entwurfs zum neuen Niedersächsischen Krankenhausgesetz. Wir brauchen dringend eine Rekommunalisierung der Kliniken und wir brauchen ein alternatives fallzahlenunabhängiges Finanzierungssystem, bei dem das Gemeinwohl der Menschen im Vordergrund steht und nicht die Wirtschaftlichkeit.

Was wird also heute in Hannover gefeiert?!

Vielleicht, dass auch die Rüstungsindustrie in Niedersachsen nun kräftig am Krieg verdient. Es gibt kein Geld für die Öffentliche Daseinsfürsorge, für flächendeckende und gute Gesundheitsversorgung und Pflege, kein Geld für einen flächendeckenden Ausbau des ÖPNV und die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken, kein Geld für den Ausbau erneuerbarer Energien und den dringend benötigten sozialen Wohnungsbau. Kein Mietpreisdeckel, kein Energiekostendeckel, das Krankenhauspersonal reicht nicht aus, das Lehrpersonal reicht nicht aus, und statt eines schnelleren Ausbaus erneuerbarer Energien, gibt es nun die Durchsetzung umstrittener Erdgasbohrungen im Nationalpark und UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer.

Aber bitte, der Rüstungs- und Bundeswehrstandort Niedersachsen bekommt doch etwas vom eben beschlossenen 100-Milliarden-Kuchen. Ministerpräsident Weil hat sich vorige Woche für die Entstehung eines Heimatschutzregiments der Bundeswehr in Niedersachsen ausgesprochen. Innenminister Pistorius hat dafür sogar proaktiv Verteidigungsministerin Lambrecht angeschrieben. Eines der fünf bundesweit geplanten Regimenter solle unbedingt nach Niedersachsen kommen. CDU und FDP finden das natürlich auch super. Bernd Althusmann hat als möglichen Standort schon den Truppenübungsplatz Bergen im Landkreis Celle dafür ausgemacht. Dass Heimatschutz ein Begriff ist, dessen sich auch Faschisten bedienen, macht bei der Aussicht auf ein Stück von dem 100-Milliarden-Euro-Kuchen nichts mehr aus.

Nur den Menschen, die wieder nichts abbekommen, die weiterhin unter Inflation und schlechten Arbeitsbedingungen leiden, die weiterhin nicht wissen, von welchem Geld sie die steigenden Heizkosten zahlen und am Ende des Monats den Tisch decken sollen, die zu überteuerten Mietpreisen in schimmeligen Wohnungen ausharren und keine andere Wohnung finden, weil es immer weniger sozialen Wohnraum gibt, die Menschen, die hier schon seit Jahrzehnten leben und trotzdem morgen plötzlich abgeschoben werden könnten, die, die in der Produktion stehen und nicht wissen, ob sie im kommenden Monat ihren Job noch haben, die, die als unterbezahlte und befristete Arbeitskräfte noch zusätzlich selbst für ihre soziale Absicherung aufkommen müssen, die Menschen, die im Krankenhaus ihre xte Zusatzschicht schieben, ohne dafür zeitlichen oder finanziellen Ausgleich zu bekommen, diesen Menschen Niedersachsens ist ganz und gar nicht zum Feiern zumute.

Deshalb und aus vielen weiteren Gründen braucht es dringend eine LINKE, die links von der trägen SPD und der opportunistischen GRÜNEN gemeinsam mit den Menschen und den Gewerkschaften die Landespolitik aktiv mitgestaltet und alles dafür gibt, im Oktober mindestens die 5% Hürde zu schaffen, um das Leben hier besser, gerechter und solidarischer für ALLE zu machen! Und wenn das erreicht ist, dann gibt es in Niedersachsen auch wieder einen Grund zum Feiern!

Landesvertreter*innenversammlung 11.6.2022