Rede zum Entwurf des Haushaltsplanes im Lüneburger Rat
Am 20. Dezember 2023 stimmte der Lüneburger Rat über den vorgelegten Haushaltsentwurf ab. Zu meinem und dem Entsetzen anderer Anwesender stimmten die Grünen gegen ihren eigenen Antrag, benötigte Mittel für ein Housing First Konzept im Haushaltsentwurf zu verankern und ließen sich auf weitere Forderungen der FDP und CDU ein, die eine Zielvereinbarung zur Deckelung der Freiwilligen Leistungen auf 3% ab 2025 enthielten, um die Stimmen der beiden Parteien für den vorgelegten Haushaltsplan zu sichern. Sowohl Die Linke als auch Die PARTEI und die SPD stellten sich dagegen. Im Folgenden mein Redebeitrag zur Abstimmung über den Haushaltsplan 2024 der Hansestadt Lüneburg . Der Redebeitrag ist auf YouTube zu finden, bereitgestellt von Lüne-Stream ab Minute 2:06:50.
Liebe Frau OB, Ratsvorsitzende, Ratskolleg*innen und Gäste,
bis gestern habe ich versucht, im Ansinnen der Grünen, diesen Haushalt heute beschließen zu wollen, etwas Sinnvolles zu sehen, denn ein Nichtbeschluss führt zu Verzögerungen und macht die Situation nicht besser: für soziale Einrichtungen und für die Menschen in Lüneburg, die am Ende des Monats die Tafel aufsuchen müssen, weil das Geld nicht mehr fürs Essen reicht, für Mieter*innen in Kaltenmoor, bei denen Vonovia-Zahlungsaufforderungen über mehrere Tausend Euro Nebenkosten in die Mietwohnungen geflattert sind, für Rentner*innen, die von Altersarmut betroffen sind und in der Bäckerstraße Pfandflaschen und -dosen aus den Müllcontainern sammeln, für unsere Mitmenschen, Nachbar*innen und Kolleg*innen, die von Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus oder Flucht betroffen sind, für wohnungslose Menschen, die auch im Winter bei Minusgraden auf der Straße leben und in den Eingängen von Karstadt, der VHS oder unter der Brücke im Wandrahmpark schlafen, für alle Menschen, dieser Stadt, die von Armut, Mittelkürzungen und anderen Herausforderungen betroffen sind, - und auch das Klima rettet ein Nichtbeschluss des Haushaltes nicht.
Doch nachdem ich die vorgebrachten Argumente und das Abstimmungsverhalten im gestrigen Ausschuss noch einmal reflektiert habe, kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass der Haushaltsplan, so wie er jetzt diskutiert wird und vor allem, wie die freiwilligen Leistungen verteilt sind, den Menschen dieser Stadt und dem Klima auch nicht helfen werden.
Da muss man um läpperliche 6500€ für den Stadtjugendring, der seit Jahren wertvolle Arbeit leistet, rigoros kämpfen. Da wird die so wichtige Antidiskriminierungsarbeit von diversu gefährdet und erst werden die zugesagten Mittel auf 5.000€ gesenkt, bevor diversu dann doch noch aus den Haushaltsresten irgendwie irgendwann mit den weiteren benötigten 10.000€ ausgestattet werden soll, da wird nicht einmal überlegt, wie Mittel für die von checkpoint queer und SCHLAU dringend benötigte Pädagog*innen-Stelle zur Verfügung gestellt werden könnten, nein, der gemeinsam gestellte Stellenantrag wird abgelehnt und auch die 4.000€, die checkpoint-queer für die Deckung von Tarifsteigerungen benötigt, sind noch zu viel und konnten erst gestern Abend im Verwaltungsausschuss auf Zustimmung treffen. Aber es geht noch schlimmer: Ein Blick auf das Haushaltsprodukt „Soziale Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen“ weist für diesen Teilbereich ein Gesamtvolumen von sage und schreibe 3.000€ für das Jahr 2024 auf und auch für die Folgejahre werden keine Anpassungen nach oben ersichtlich. Und da werden 7, 8, 9 Stellen, die unbedingt in der Jugendhilfe gebraucht werden, einfach so in der Haushaltsplanung vergessen und erst nachdem das Thema nach wiederholtem Drängen in verschiedenen Ausschüssen zur Sprache gebracht worden ist, und immer wieder darauf bestanden werden musste, Gesagtes schriftlich zu protokollieren, können wir jetzt hoffentlich davon ausgehen, dass die 7,5 zugesagten Stellen im gedeckelten Stellenplan aus einer Umschichtung anderer Stellen bereitgestellt werden.
Da kann man sich doch nur an den Kopf fassen. Habt ihr euch und habe Sie sich in der Stadt schon mal umgeschaut? Da müssen gerade mehr als zwanzig Initiativen das Böllhaus räumen und stehen auf der Straße, ohne dass die Stadt sich ein Konzept überlegt hätte, wo die Initiativen alternativ unterkommen könnten. Und das, obwohl alle hier Anwesenden seit Monaten von den Gerichtsverhandlungen und den Umständen wissen. Und selbst der Kampf gegen die A39 und für die Mobilitätswende ist den Grünen keine Resolution mehr wert. Nachdem ich monatelang davon ausging, dass Die Linke und Die Grünen dazu gemeinsam eine Resolution ans Land richten würden, wurde mir gestern im Nebensatz gesagt, „Wir haben andere Sorgen“. Ja, welche Sorgen habt ihr denn? Ich finde es sehr besorgniserregend, wenn selbst die Grünen sich nicht mehr gegen weitere neue Autobahnen und den Klimawandel stellen. Wofür seid ihr alle, wofür sind Sie denn in die Politik gegangen? Um am Ende der Mandatsperiode zu sagen: Ich hab mich für ´ne schwarze Null eingesetzt? Ich hab mich dafür stark gemacht, dass der Kämmerer einen schlanken Haushalt präsentieren konnte und den haben wir dann durchgewunken, mit Bauchschmerzen, aber was soll‘s?
Es muss doch hier einen Mindestanspruch daran geben, was man für die Menschen dieser Stadt gestalten und umsetzten will. Und dieser Anspruch, meine lieben Ratskolleg*innen, ist für mich nicht erkennbar. In der Art, wie über den Haushalt verhandelt wird, fehlt eindeutig der Gestaltungswille. Was ist das für eine Politik, die, ohne zu zögern, jährlich mehr als eine halbe Million fürs Stadtmarketing durchwinkt, aber jeden noch so kleinen Betrag fürs Soziale für unzumutbar hält. Und zur Krönung wird den unsinnigen Forderungen der FDP und der CDU entgegenkommen, den einzigen Gestaltungsspielraum, den die Stadt über die freiwilligen Leistungen hat, und der ja jetzt schon sehr begrenzt ist, ab 2025 mit einer Zielvereinbarung von 3% noch weiter einzuschränken. Damit nehmen wir uns unsere und damit nehmen wir der Stadt ihre Handlungsfähigkeit. Ich befürchte, das Ergebnis dieser Form der Politik wird sein, dass das Soziale noch weiter ins Hintertreffen gerät, ebenso wie Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Ja, die Sparpolitik von Grünen und SPD im Land und mit der FDP im Bund machen es den Kommunen und auch Lüneburg nicht leicht, doch dies auf dem Rücken der sozial Benachteiligten, der von Armut und Ausgrenzung Betroffenen und zukünftiger Generationen auszutragen, ist inakzeptabel. Weil viele, wenn nicht sogar alle Ratsmitglieder, nicht selbst betroffen sind, werden die Auswirkungen vielleicht ignoriert oder schnell vergessen.
Es darf keine Energiearmut geben. Wohnraum muss bezahlbar sein.
Wir brauchen dringend Konzepte, wie wir die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Energieversorgung und Wohnraum rekommunalisieren und Konzernen wie Avacon, BUWOG und Vonovia aus den Händen nehmen, die Profite nur für sich selbst und nicht für die Menschen dieser Stadt erwirtschaften.
Vielleicht sind einige Mitglieder des Rates aber auch schon zu lange in der Politik, als dass sie noch Kreativität und Gestaltungswillen haben, oder die Hoffnung, etwas verändern oder verbessern zu können für das Zusammenleben in dieser Stadt, für das Klima oder die soziale Infrastruktur. Vielleicht lässt man sich deshalb auf widersinnige Zielvereinbarungen ein. Bei den jüngeren, neu gewählten Ratsmitgliedern verstehe ich das allerdings nicht. Mit der Linken ist das nicht zu machen. Ich kann dem Haushaltsentwurf, wie er gestern Abend und auch heute diskutiert wird, nicht mit gutem Gewissen zustimmen. Ich hoffe, es wird irgendwann ein Umdenken geben, hin zu einer sozialen, gerechten Politik, die die Anliegen und Sorgen der Menschen ernst nimmt und sich für DIESE einsetzt und nicht um jeden Preis für Einsparungen und eine schwarze Null.